Tabita Rezaires Kunst ist als radikale Annäherung sehr diverser Perspektiven zu verstehen und dient als Vorlage für eine mehrdimensionale Betrachtung aktueller Transformationsdynamiken im Kontext fortgeschrittener Digitalisierung. Um der Komplexität heutiger Weltmodelle in hyperindividualisierten und gleichzeitig global vernetzten Gesellschaften zu begegnen, widmet sich die Künstlerin unterschiedlichen Wissensformen und Erkenntnisweisen, darunter Beispiele aus Mikrobiologie und Informatik genauso wie affektive Strukturen, verkörpertes Wissen, animistisches Denken und spirituelle Praxen.
Anhand der Arbeit Premium Connect (2017) lassen sich Verbindungen von Naturwissenschaft, Technologie und Spiritualität skizzieren, in der Digitalisierung als komplexe und tief mit soziokulturellen, politischen und ökonomischen Strukturen verflochtene Prozesse thematisiert werden. Gestützt durch kulturwissenschaftliche und philosophische Theoretisierungen, die die Dichotomie von Natur- und Geisteswissenschaft längst hinter sich gelassen haben, tun sich für die Kunstpädagogik, verstanden als genuin interdisziplinäre Disziplin, interessante Forschungsperspektiven auf – besonders hinsichtlich einer sogenannten Post-Internet Arts Education und deren Erweiterung um queere, postkoloniale Perspektiven.
Kristin Klein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst & Kunsttheorie der Universität zu Köln, aktuell im Projekt Post-Internet Arts Education Research. Sie studierte Kulturwissenschaft, Kunstpädagogik, Philosophie, Germanistik und Bildungswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, der TU Dresden und der Boston University. Forschungsschwerpunkte: Kunst nach dem Internet, Kunstpädagogik im Kontext postdigitaler Kulturen. Zusammen mit Torsten Meyer, Gila Kolb und Konstanze Schütze ist sie Herausgeberin des Workbook Arts Education (myow.org: seit 2018), mit Willy Noll veröffentlichte sie Postdigital Landscapes (zkmb.de: 2019). Web: kristin-klein.net
Bildcredits: Screenshot aus Tabita Rezaires Premium Connect (2017)