Kritik, eine prominente Aufgabe ästhetischer Auseinandersetzung, ist in digitalen Kulturen einmal mehr in eine Krise geraten. Sie ist problematisch geworden, da Standorte für Kritik sowie die Möglichkeiten zur Veränderung prekär geworden sind. So sind z. B. die algorithmischen Prozesse innerhalb der sich selbst steuernden Geräte und Netzwerke, die überall aktiv sind und menschliche Agierende umfänglich vereinnahmen und verfolgen, sowie die Kontrolle gesellschaftlicher, ökonomischer oder klimatischer Prozesse durch Simulationen nicht mehr gänzlich nachvollziehbar und die erhobene Menge an Daten nur noch maschinell auszuwerten. Es steht allerdings in Frage, ob Kritik nur ob der technologischen Bedingungen erschwert oder dieser Umstand auch diskursiv erzeugt wird. Aus welchen Gründen und mit welchen Effekten werden Kritik ebenso wie Methoden derzeit vor allem in den Medien- und Kulturwissenschaften problematisch und in Frage gestellt? Im Vortrag werden ausgehend von dieser Lage Methoden und Möglichkeiten einer performativen Kritik vorgestellt und analysiert. Es geht dabei zunächst vor allem darum, sich performend, etwa durch Zuspitzungen, Übertreibungen, Ekstasen oder Grenzüberschreitungen, einen Einblick in die subjektbildenden und gouvernementalen Wirkungen der technologischen und diskursiven Erzeugung digitaler Kulturen zu verschaffen. Ist das Gewordensein verhandelt, kann performend und Kulturen bildend über andere Denk- und Handlungsoptionen spekuliert werden.
Martina Leeker ist Theater- und Medienwissenschaftlerin sowie Theatermacherin, Bereich Wissens-Performances, und Kuratorin für transdisziplinäre und intenventionistische wissenschaftliche Formate. Seit 2013 ist sie Senior-Researcher im Digital Cultures Research Lab (DCRL) an der Leuphana Universität Lüneburg, Schwerpunkt Re-thinking Methods. Von 2002–2010 war sie Juniorprofessorin für Theater und Medien an der Universität Bayreuth; dort Aufbau und Leitung des Digitalen Studios für Performances mit Medien sowie für Medienkunst. Gastprofessuren an der Bauhaus-Universität Weimar für „Künstliche Welten“ sowie an der Universität der Künste Berlin für Theaterpädagogik und Vergleichende Dramaturgie. Von 2011 – 2012 war sie Fellow am „Internationalen Kolleg Morphomata: Genese, Dynamik und Medialität kultureller Figurationen“ an der Universität Köln. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Art and Technology, Kybernetisierung, Digitale Kulturen, Theater und Medien, Kritik, Interventionen, Künstlerische Forschung.
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